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Der Dandy vom Dienst

Zum Tod des Schauspielers und Sängers Johannes Heesters (1905 – 2011)

von Marc Hairapetian

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Johannes Heesters jung Er war im wahrsten Sinn des Wortes eine lebende Legende, länger als jeder andere Schauspieler vor ihm. Und er wird es nach seinem Tod im nahezu biblischen Alter von 108 Jahren wohl auch bleiben: Johannes Heesters, der charmante und gut aussehende Lebemann, der im Film-, Fernsehen-, Theater-, Operetten- und Musicalbereich über neun (!) Jahrzehnte Erfolg um Erfolg feiern konnte, obgleich er in seiner niederländischen Heimat weitaus umstrittener war als hierzulande. Die Vorwürfe holländischer Widerstandstruppen als „Mitläufer aus Karrieregründen“ und „singender Gastarbeiter im Dienste des Feindes“, der sich erst im Dritten Reich einen Namen gemacht hatte, trafen „Joopie“ – wie ihn alle Welt nannte - zeitlebens hart. Dabei wirkte er nie in Propagandafilmen mit; im Gegenteil, er bezeichnete sich gern als„Pazifist“. Und dass er bei einem KZ-Besuch Lieder zum Besten gegeben hätte, bestritt er mit Vehemenz. Vielmehr kam es mit Goebbels zu einen verbürgten Konflikt, als dieser Gewahr wurde, dass Heesters 1938 mit einer aus Deutschland geflohenen jüdischen Theatergruppe in Amsterdam auf der Bühne gestanden hatte.
Ihm war es gegeben, auch die kitschigsten Vorlagen durch seine Präsenz zu veredeln. Der am 5. Dezember 1903 als Johan Marius Nicolaas Hesters geborene Herzensbrecher gelang nach ersten in Holland und Österreich erworbenen Meriten der endgültige Durchbruch mit Georg Jacobys Leinwandadaption von Carl Millöckers Operette „Der Bettelstudent“ (1936). In Folge landete er Ohrwurm auf Ohrwurm in der UFA-Ablenkungsmaschinerie der heiter-belanglosen Singspiele. Seinen größten Hit „Man müsste Klavier spielen können“ (1941) hasste er, doch er präsentierte ihn stets professionell. Diese schonungslose Selbstdisziplin verlangte er sich bis zu seinem Lebensende ab. Nach dem Weltenbrand ging es äußerlich munter weiter – und zwar mit der „Fledermaus“ (1946) in der Regie von Géza von Bolváry. Doch wer Heesters persönlich kannte, wusste auch um seine melancholische Seite, die er gern mit einem Gläschen Wein oder einer Zigarette bekämpfte. Unvergesslich bleibt mir unsere Begegnung im Jahre 2006 anlässlich einer Ausstellung im zu Ehren in der alten Berliner Akademie der Künste. Bis vier Uhr morgens saßen wir im Anschluss daran zusammen. Joopie konnte hören wie ein Luchs und war von wacher Intelligenz geleitet. Er bestellte meiner fast genau so alten Großmutter Wanda schöne Grüße. Sie lebt zum Glück noch – am 14. September 2011 feierte sie in Hannover ihren 107. Geburtstag.
Seine Paraderolle war der Graf Danilo in Franz Lehárs Operette „Die lustige Witwe“: „Da geh ich ins Maxim“, mit Frack, Zylinder und weißen Schal vorgetragen, wurde zu seinem Markenzeichen. Doch es gab auch den anderen, nicht so glatten Heesters: 1970 überzeugte er in der Folge „Parkplatz-Hyänen“ der Krimireihe „Der Kommissar“ als heruntergekommener Familienvater. Mut zur Selbstironie hatte er 1982 mit Co-Partner Carl-Heinz Schroth in der Fernsehfassung der „Sonny Boys“, die es als abgehalfterte Komödianten nochmals wissen wollten. Neben Kurzauftritten in Nonsens-Streifen wie „Otto – Der Film“ (1985) oder 1 ½ Ritter“ (2008) war er sogar noch im Jahr 2011 – mit 107 Jahren! – in Stefan Herings Kurzfilm „Ten“ an der Seite von Götz Otto und Arthur Brauss zu sehen. Bei Gesangsauftritten – stets in Begleitung seiner zweiten Ehefrau Simone Rethel - durch Fernsehsendungen und die Provinz präsentierte sich der inzwischen komplett erblindete Show-Methusalem ungebrochen stimmgewaltig. Zuvor hatte er sich 2004 bei einem Besuch in seiner Geburtsstadt Amersfoort einen großen Wunsch erfüllt und sich Fans und Kritikern gestellt, wobei die positive Resonanz überwog. Aus der ersten Ehe mit der belgischen Schauspielerin Louisa Ghijs entstammen zwei Töchter (Pianistin Louise-Paula und Schauspielerin Nicole), die Heesters heiß und innig liebte. Ausgerechnet Heiligabend hörte - nach einem vorhergehenden Schlaganfall - sein so starkes Herz auf zu schlagen. Johannes Heesters starb am 24. Dezember 2011 in seiner Starnberger Wallheimat.

Marc Hairapetian am 2. Januar 2012 für (SPIRIT - EIN LÄCHELN IM STURM www.spirit-fanzine.de)