Monumental in der Bescheidenheit

Zum Tod des Filmarchitekten und Szenenbildners Jan Schlubach

 

Von Marc Hairapetian

Drucken

Neben seinen bei Kerzenschein mit dem hochempfindlichen Zeiss-Objektiv f/0.7, das an sich für die NASA entwickelt worden war, aufgenommenen Innenaufnahmen sind es vor allem die gemäldeartigen Landschaftsbilder, die die visuellen Höhepunkte von Stanley Kubricks Meisterwerk „Barry Lyndon“ (1973-75) bestimmen. Ein Teil dieser Bilder entstand in Deutschland und zwar in der damaligen DDR. Nachdem Kubricks Ausführender Produzent und Schwager Jan Harlan die Verträge mit den DDR-Verantwortlichen nach zähen Verhandlungen unter Dach und Fach gebracht hatte, wurde der in am 10. Dezember 1920 in Den Haag geborene Szenenbildner und Filmarchitekt Jan Schlubach nach Potsdam geschickt, wo er sich für einige der schönsten Motive in Kubricks Historiendrama verantwortlich zeichnete. So überwachte er den legendären „establishing shot“ am Neuen Palais, der zur Zeit des realexistierenden Sozialismus, mit einem großen Aufgebot an Statisten und Pferdekutschen gedreht wurde. Auch in Süddeutschland wählte Schlubach, der sich die Szenenbildnerei nach eigenen Angaben als „Autodidakt“ angeeignet hatte, Drehorte aus, darunter die Burg Hohenzollern in Hechingen. An dem Gewinn des Oscars für die beste Ausstattung, den Production Designer Ken Adam zusammen mit Roy Walker und Vernon Dixon entgegen nehmen durfte, hatte Schlubach höchsten Anteil.

Der perfektionistische Kinovisionär Kubrick war so begeistert über die Zusammenarbeit mit dem Wahlberliner, dass er ihn auch mit der Drehort-Suche in den USA für den „horror film to end all other horror films“ „The Shining“ (1979) beauftragte. Der stets bescheiden auftretende Schlubach, der bereits seit den 1960er Jahren vor allem im deutschen Fernsehfilm, am Theater und an der Oper in Kooperation mit Regisseur Peter Beuvais („Deutschstunde“, „Im Reservat“, „Die Zauberflöte“), aber auch im internationalen Film (John Glens James-Bond-Film „Octopussy“, Roger Spottiswoodes „Mesmer“ oder Fons Rademakers’ „Der Rosengarten“) filmszenographische Ausrufezeichen setzte, bezeichnete die Zusammenarbeit mit Kubrick als die fruchtbarste seiner Karriere. Auch nach „Barry Lyndon“ und „The Shining“ blieben die beiden Filmschaffenden befreundet. Mit liebevollem Augenzwinkern wusste Schlubach zahlreiche Anekdoten über den „privaten“ Kubrick zu erzählen: „Einmal war Stanleys Lieblingskatze spurlos verschwunden – und er setzte alle Hebel daran, sie wieder zu finden. Im Schritttempo ließ er mich die Landstraße abfahren, wobei er links und ich rechts nach Polly Ausschau hielten und vergeblich ihren Namen riefen. ‚Stanley’, sagte ich zu ihm. ‚Gut, dass niemand uns zwei ältere Herren bei diesem seltsam anmutenden Tätigkeit beobachtet...’ Einen Tag später saß Polly übrigens miauend vor Stanleys Anwesen.“

Schlubach, der 1980 den Bundesfilmpreis in Gold für die Ausstattung von „Fabian“ und 1999 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse erhielt, leistete immer Qualitätsarbeit – auch für inhaltlich nicht immer anspruchsvolle Film- und Fernsehkost. So entwarf er den aufwendigen Set für die TV-Serie „OP ruft Dr. Bruckner“ (1996 – 1999). Seit 2000 war Schlubach Mitglied der Akademie der Künste in Berlin. Das von ihm gestiftete Alfred-Hirschmeier-Stipendium vergibt die AdK jährlich an talentierte Nachwuchs-Filmszenographen. Am 4. Februar 2006 verstarb der auch im zunehmenden Alter jugendlich wirkende Jan Schlubach in Berlin.