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Ein James Bond im Horror-Gewand

Ewig junggebliebener Luftikus: Interview mit Schauspieler Horst Janson zum 80. Geburtstag

Von Marc Hairapetian

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Er war der erste langmähnige Hauptdarsteller im deutschen Fernsehen und irgendwie ist er der jungenhafte, lockere Typ geblieben, für den ihn ein Millionenpublikum so liebt. Am 4. Oktober wird der in Mainz geborene und in Grünwald bei München lebende Schauspieler Horst Janson 80 Jahre jung - wie man in diesem Fall wohl sagen muss. Ein Gespräch über seine großen Erfolge wie "Der Bastian", die Zusammenarbeit mit Weltstar Peter O´Toole, Horror-Kultfilme und die heutige TV-Landschaft. Größere Ansicht anzeigen

 Marc Hairapetian: Obwohl Sie schon mit TV-Serien wie "Sein Traum vom Grand Prix" oder "Salto Mortale" und Kinofilmen wie dem Zweiteiler "Buddenbrooks" oder "Ein Glas Wasser" erfolgreich waren, gelang Ihnen der große Durchbruch erst 1973 mit der 13-teiligen Fernsehreihe "Der Bastian", wo Sie auf unkonventionelle Weise einen "ewigen Studenten" spielten. Traf oder trifft immer noch das Image des "liebenswerten Luftikus" auf Sie auch privat zu?

 Horst Janson: Das ist natürlich auch eine Frage der Definition. Wenn damit jemand gemeint ist, der nicht so krampfhaft verbissen und ehrgeizig durchs Leben geht und viele an sich profane Sachen auch etwas lockerer sieht, kann man den Begriff "liebenswerter Luftikus", der ja als Kompliment gemeint ist, tatsächlich auf mich übertragen.

 Marc Hairapetian: Waren die langen Haare, die Sie damals selbstbewusst zur Schau trugen, nicht eine Art Kulturrevolution im westdeutschen Fernsehen?

 Horst Janson: Ich war damals für das deutsche Fernsehen schon insofern etwas "Besonders", als ich als erster langmähniger Schauspieler in einer Hauptrolle im deutschen Fernsehen auftreten durfte. In "Salto Mortale" waren meine Haare zuvor auch schon länger, aber dann ließ ich sie einfach weiter wachsen. Die Art wie dieser Bastian, der als Lehramtsstudent nach seinem ersten Examen die Freiheit vor dem Antritt seiner ersten Stelle genießt und betont salopp und flott durchs Leben geht, war etwas, das an sich seinerzeit gar nicht so in die deutsche Wohnstube passte. Das Fernsehen hat sich damals nur mit äußerst korrekten Dingen beschäftigt. Ich weiß noch, wenn man mal nicht so gut rasiert am Set erschien, musste man sich nochmals rasieren. Drei-Tage-Bart wie heute wäre undenkbar gewesen! Da waren die langen Haare schon ein großes Zugeständnis von Regisseur Rudolf Jugert, der dem Maskenbildner, der sie mir abschneiden wollte, befahl: "Die bleiben!" Das hat mich schon mit innerlichem Stolz erfüllt. Und auch die Ansichten des Bastians, der seinen angehenden Beruf zwar ausüben will, aber ihn doch auch hinterfragt, haben wohl vielen Menschen seinerzeit aus der Seele gesprochen.

 Marc Hairapetian: Waren Sie mit seinerzeit 37 Jahren an sich nicht zu alt für die Rolle?

 Horst Janson: Stimmt, an sich war ich zehn Jahre zu alt, auch wenn ich jünger aussah. Es gab zwar Probeaufnahmen, doch es wurden danach auch andere Schauspieler gecastet. Erst als sie niemand anderen gefunden hatten, erinnerte man sich wieder an mich: "Jetzt rufen wir noch mal den Janson an. Vielleicht sieht er gar nicht so alt aus." Letztendlich passte mein damaliges Alter von 37 doch ganz gut zum Typus "ewiger Student". Keiner von den Fernsehleuten räumte der Serie große Chancen im Vorfeld ein. Dass es so ein großer Erfolg wurde, hat mir damals schon gezeigt, wie wenig diese "Macher" davon verstehen, was ankommt und was nicht. Man dachte sich etwas spießig, dass das Publikum die unkonventionellen Zutaten nicht schlucken würde. Doch in Wirklichkeit kommt ja häufig gerade das gut an, wenn man nicht auf die "sichere Nummer" setzt. Ursprünglich sollte die Serie "Katharina II. von links" heißen, weil sich Bastian in eine von Karin Anselm gespielte Ärztin verliebte. Was für ein Titel! Immerhin nannte man dann die zweite Episode so, in der der gutmütige Bastian eine junge Mutter, mit der er vor Jahren ein Verhältnis hatte, bei sich "Asyl" gewährte und überfordert mit der Situation zu seiner Freundin "flüchtete". Das poppige Musikthema von Erich Ferstl und natürlich die Drehbücher von Barbara Noack, deren Dialoge kurz und prägnant waren, bildeten weitere Garanten für den Publikumszuspruch. Solche pointierten Dialoge würde ich mir auch heute im Fernsehen wünschen!

 Marc Hairapetian: Sie waren lange Zeit auch für die Besetzung internationaler Kinoproduktionen sehr gefragt. Wie kam es 1970 zum Schauspieler-Duell mit Weltstar Peter O´Toole im Kriegsfilm "Das Wiegenlied der Verdammten"? Größere Ansicht anzeigen

 Horst Janson: Ich hatte einfach viel Glück. Meine Englisch-Kenntnisse waren schon zu Anfang meiner Karriere ganz gut, weil ich als Schauspielschüler in meiner Wiesbadener Zeit, der das Abitur geschmissen hatte, bei meinem Job als Taxifahrer vorrangig Leute der US-Headquarters chauffieren musste. Bereits 1967 wurde ich ohne Probeaufnahme, nach einem Essen im noblen Londoner Hotel Savoy mit den Verantwortlichen des britischen Privatsenders Associated Rediffusion, ausgewählt, in der ITV-Produktion "The Smart Rebellion of Jess Calvert" mitzuwirken. Die einfache Urlaubsgeschichte, die zum Teil in Bayern gedreht wurde, avancierte in Großbritannien zum "Film of the Week". Durch die Vermittlung meines englischen Agenten Jimmy Fraser erhielt ich dann die Rolle des deutschen U-Boot-Kommandanten Lauchs in Peter Yates "Das Wiegenlied der Verdammten", der von Peter O´Toole als traumatisierte und von Rache besessene Ein-Mann-Armee angegriffen wird. Deshalb der Originaltitel "Muphy´s War". Auch seine Frau Siân Phillips als pazifistische Ärztin und der französische Star Philippe Noiret waren mit von der Partie bei den Dreharbeiten in Puerto Ordaz am Orinoco, wo wir zuerst alle auf einem extra gecharterten Hotelschiff der Marke "besonders heruntergekommener Seelenverkäufer" wohnten. Später drehten wir noch in Portsmouth in einem echten englischen U-Boot, in Paris und auf Malta. Zum großen Peter O´Toole hatte ich ein sehr kameradschaftliches, kollegiales Verhältnis. Abends nach Drehschluss tranken wir das eine oder andere Bier miteinander. Nur eines konnte er nicht leiden, nämlich, im Tischtennis zu verlieren. Er wollte immer gerne gewinnen, ob das im Doppel war oder Einzel. Es setzte sich dann die Meinung durch, man sollte ihn auch gewinnen lassen, weil er dann immer gut drauf sei.

 Marc Hairapetian: Hatten Sie danach weiterhin mit ihm Kontakt?

 Horst Janson: Ich habe ihn leider nur noch bei der königlichen Filmpremiere, bei der die Herzogin von York anwesend war, gesehen. Eine meiner negativen Eigenschaften ist, dass ich berufliche Kontakte nicht so pflege wie ich das vielleicht tun sollte. Ich hatte das Gefühl, es würde eine Art Anbiederung sein. Dabei bin ich privat durchaus gesellig. Auch bei dem ebenfalls leider mittlerweile verstorbenen Peter Gerlach, dem ehemaligen Programmdirektor des ZDF, der bei den UFA-Produktionen, in denen ich nach dem Krieg als ganz junger Spund mitspielte, Aufnahmeleiter war, brachte ich es nicht fertig anzurufen, weil ich dachte, dass er dann denken würde: Der ruft nur an, damit ich ihn besetze. Da hatte ich meine Skrupel.

 Marc Hairapetian: "Captain Kronus - Vampirjäger", in dem Sie die Titelrolle spielten, genießt inzwischen Kultstatus. Warum kam die 1974 gedrehte Horror-Produktion eigentlich nie in deutsche Kinos?

 Horst Janson: Es hing wohl mit der bevorstehenden Pleite der legendären Hammer Filmstudios zusammen, die nach jahrzehntelangem Dornröschenschlaf erst kürzlich wieder ihre Wiederauferstehung mit einem der letzten Filme von Christopher Lee feierten. ""Captain Kronus - Vampire Hunter" war als Fortsetzungsgeschichte geplant. Man wollte eine Art James Bond im historischen Horror-Gewand schaffen. Auch in England ist der Film nicht sonderlich gut gelaufen, hat im Laufe der Jahre aber immer mehr Anhänger gefunden, vor allem im Internet. Ich bin zu mehreren Festivalvorführungen des fantastischen Films eingeladen worden und habe sogar in Manchester einen Preis für die Rolle erhalten. Meine Filmpartnerin Caroline Munro war sehr attraktiv. Leider hatte sie einen Freund und ich hatte mit Monica Lundi eine Freundin, die sehr auf mich aufgepasst hat. (lacht)

 Marc Hairapetian: Hat Ihnen die Vampirgeschichte Spaß gemacht?

 Horst Janson: Und ob, einen irren sogar, weil ich da richtig Fechten gelernt habe. Ich hatte für den Film mit Williams Hobbs den besten Fechtmeister, den es in England gibt. Für Shakespeare-Stücke wurde er sogar nach Deutschland geholt, um die Kampfszenen am Theater einzustudieren. Er spielte den Obervampir, der erst gegen Ende entlarvt wurde. Unser Endgefecht ging im Film über fünf Minuten. Wir brachten es gut über die Bühne, was gar nicht so ungefährlich war, obwohl die Degen keine richtige Spitze mehr haben. Doch man kann auch mit ihnen, wenn man jemand unglücklich trifft, Gefahr anrichten. Da ist dann schon mal eine Auge weg. Wir haben jede freie Minute im Studio hinter den Kulissen oder in der Natur, wenn wir Außendrehs in den Midlands hatten, genutzt, um zu fechten. Eine anstrengende Geschichte, aber vielleicht erreichen mich deshalb heute noch Autogrammwünsche aus der ganzen Welt.

 Marc Hairapetian: Sie sind nach wie vor schauspielerisch aktiv. Leiden Sie darunter, dass es bei den ganzen Soaps und Krankenhausgeschichten keine richtigen Abenteuerfilme mehr im Fernsehen gibt?

 Horst Janson: Ich finde es schade. "Abenteuer" gibt es, wenn überhaupt, heute nur noch in abgemilderter Form im Zusammenhang mit Familien-Unterhaltungsserien wie "Das Traumhotel" und dergleichen. Und dann ist da auch noch immer eine gehörige Portion Herzschmerz dabei. "Lawrence von Arabien" brauchte keine aufgepfropfte Liebesgeschichte. Selbst die künstlerisch weniger ambitionierten Karl-May-Filme kamen ohne sie aus. Dafür gibt es eine Überlastung von Krimis. Jede kleine Ortschaft hat mittlerweile einen eigenen "Tatort". Mich erinnert das immer an den deutschen Heimatfilm, der bis Anfang der 1960er Jahre populär war. Ich habe noch einen davon gedreht: "Ruf der Wildgänse" spielte immerhin in Kanada und da hat es auch mal geknallt. Dieser Heimatfilm war einer der besseren Sorte, aber letztendlich wollte sie keiner mehr sehen, auch, wenn die risikoscheuen Produzenten noch auf sie gesetzt hatten. Ich kenne in meinem Umfeld viele Leute, die sagen: "Tatort" ganz schön, aber bitte nicht quasi jeden Tag. Und bei Soaps gibt es ja keine Abenteuer, sondern nur Intrigen.

 Marc Hairapetian: Wie war das, in "Sturm der Liebe" selbst in einer Soap mitzuspielen?

 Horst Janson: Es war ein "Sich-Kennenlernen-Ausflug". Ich habe immer gehört, wie die bei der Bavaria arbeiten. Das kann doch gar nicht möglich sein, dachte ich mir! Wie im Kohlebergwerk mit dem riesigen Pensum. Deswegen habe ich auch nur einen Gastauftritt gemacht. Die Bavaria ist ja nur fünf Minuten von mir entfernt. Bei allen dramaturgischen Schwächen dennoch Hut ab für den Dauereinsatz aller Beteiligten an dieser Produktion: Man ist als Schauspieler den ganzen Tag im Studio und lernt am Abend den Text für den nächsten Tag. Es wird ja pro Tag eine Folge gedreht.

 Marc Hairapetian: Da konnten Sie als Kapitän Bernd Jensen wohl in der Serie "Unter weißen Segeln" angenehmere Drehtage verbringen?

 Horst Janson: In der Tat. Die Zusage hierfür hat mit meiner privaten Leidenschaft fürs Segeln zu tun. Da habe ich nicht gefragt, ob es eine gute oder schlechte Rolle ist. Der Film-Kapitän auf der Royal Clipper, einen der größten Segler, den es noch auf der Welt gibt, hat mir genügt.

 Marc Hairapetian: Ihre Leidenschaft gehört bekanntlich dem Theater. Wird man Sie demnächst wieder auf der Bühne sehen?

 Horst Janson: Nachdem ich in diesem Sommer "Der eingebildete Kranke" bei den Kreuzgangspielen in Feuchtwangen war, werde ich ab Januar nächsten Jahres wieder mit der Bühnenfassung von "Der alte Mann und das Meer" auf Tournee gehen. Doch ich mache nicht nur leidenschaftlich gerne Theater, sondern auch Hörspielaufnahmen und Lesungen. So ist gerade eine aufwändige CD-Produktion des Theodor-Fontane-Klassikers "Effi Briest" erschienen, wo ich den Geheimrat Wüllersdorf spreche. Mit meinem Hörspielregisseur Sven Schreivogel möchte ich zusammen auch noch gerne mal einen Kinofilm machen. Wäre schön, wenn es sich noch realisieren ließe. Und im Dezember trete ich zusammen mit den Bremer Philharmonikern auf und lese Weihnachtserzählungen.

 Marc Hairapetian: Wie werden Sie ihren 80. Geburtstag feiern?

 Horst Janson: Zusammen mit meiner Frau und meinen Töchtern. Nichts Großes, dafür ganz gemütlich.

 Marc Hairapetian: Haben Sie noch ein besonderes Ziel vor Augen?

 Horst Janson: Ja, etwas, das nichts mit meinem Beruf zu tun hat: Ein Segeltörn mit meiner ganzen Familie, wo ich mir herausnehme, wieder der Kapitän zu sein.

Das Interview mit Horst Janson führte Marc Hairapetian am 29. September 2015 für SPIRIT - EIN LÄCHELN IM STURM www.spirit-ein-laecheln-im-sturm.de.


www.horstjanson.de