"Meine Wahrheit"

oder

"Bei 'Out of the Dark' geht die Sonne auf"


Interview mit "Falco"-Darsteller und Musiker Manuel Rubey

"Falco - Verdammt wir leben noch" (bundesweiter Kinostart 5. Juni 2008) ist eines der gelungensten Biopictures der letzten Jahre. Dies liegt vor allem an der intensiven Darstellung des jungen Wiener Schauspielers und Mondscheiner-Sängers Manuel Rubey. In der Interviewpause vertreibt er sich im Sanssouci-Konferenzraum des Berliner Kempinski-Hotels die Zeit mit Fußball-EM-Tippspielen. "Adabei" Regisseur Thomas Roth. Rubey ist mutig: Gastgeber Österreich sieht er im Viertelfinale. Dort allerdings ist seiner Ansicht nach Endstation gegen die Portugiesen, die wiederum im Halbfinale von Deutschland bezwungen werden. Im Endspiel wartet dann mit Italien der Angstgegner der "Piefkes". In unserem Interview spricht der Fußball-Fachmann und Rio-Reiser-Bewunderer allerdings über die Sinnhaftigkeit des von ihm eingesungenen Falco-Soundtracks, eigene Vorbilder und den Spagat zwischen Schauspielerei und Musik.

Von Marc Hairapetian

Drucken

Hairapetian:
Also, zunächst einmal muss ich Ihnen mein aufrichtiges Kompliment aussprechen. Ich war vollkommen hin und weg. Ich bin zwar sehr Falco-begeistert und deshalb gerade sehr kritisch, aber es gab einerseits Momente, von denen ich denke, dass sie so beängstigend nah an Falco herankommen, dass ich ihn leibhaftig vor mir sehen kann. Und andererseits, dass Sie oder Du...

Manuel Rubey:
Gerne Du.

Hairapetian:
... ,dass Du auch eigene schauspielerische Elemente mit eingebracht hast, an denen man merkt, dass es eben doch etwas Fiktionales ist. Und das fand ich sehr gelungen.

Manuel Rubey:
Freut mich wahnsinnig. Also wirklich, vielen Dank, weil es mir total wichtig war, dass ich eben kein Imitator bin - ich glaub, das können andere besser - sondern, dass es da um Fiktion und eine Interpretation geht.

Hairapetian:
Ich habe vorher lediglich den Trailer und erst heute den Film gesehen, und es hat mich echt schwer beeindruckt. Wie hast Du Dich denn darauf vorbereitet? Hast Du zum Beispiel das Musical "Falco meets Amadeus" oder Aufzeichnungen davon gesehen? Axel Herrig hat da auch eine sehr interessante Interpretation abgeliefert.

Manuel Rubey:
Ich glaube, dass ist so ziemlich das Einzige, was ich nicht gesehen habe. Wir haben auf zwei Gebieten gearbeitet. Auf der einen Seite haben wir mit Thomas Roth, dem Regisseur, Gespräche über die Figur geführt und was wir uns da vorstellen und dies dann weiter entwickelt. Dieser ganze Privatbereich ist ja viel freier zu gestalten gewesen. Da gibt es keine Bilder, das kennt niemand. Und auf der anderen Seite habe ich mit der Susi Stach, die die Maria Hölzel spielt und die, glaube ich, der einzige Coach in Österreich klassischer Weise ist, richtige Videostudien gemacht. Da ging es um Körpersprache, um jede Bewegung. Wenn die Schulter nicht stimmte... Ich bin eigentlich ein recht fauler Mensch und arbeite lieber intuitiv. Und die hat mich da richtig in die Mangel genommen.

Hairapetian:
Wie lange hat sich diese Vorbereitung hingezogen?

Manuel Rubey:
Ja, leider nur fünf Wochen. Es war so knapp alles. Ich hätte gerne früher begonnen, nur der Startschuss kam wirklich so kurzfristig mit der Finanzierung und dem "Kriege-ich-überhaupt-die-Rolle?". Ich habe gelesen, dass der Joaquin Phoenix für die Rolle Jonny Cash ein Jahr Zeit hatte... . Und wir haben da fünf Wochen lang rund um die Uhr gearbeitet.

Hairapetian:
Und wie lebt es sich als Zweitbesetzung in der Hinsicht, dass eigentlich Robert Stadlober zuerst Falco spielen sollte, der aber kurz vorher abgesagt hat? Geht man da etwas verhaltener vor am Anfang? Oder sagt man sich "Jetzt erst recht"?

Manuel Rubey:
Ich empfinde das nicht ganz so schlimm, insofern, weil ich als Erstbesetzung sozusagen nicht in Frage kam und weil ich damals gar nicht beim Casting war. Damals kannte mich auch keiner. Das heißt, den direkten Vergleich gibt's eh nicht. Zudem hatte ich gar keine Zeit, um über solche Dinge nachzudenken. Ich bin eigentlich sogar dankbar, denn durch die Absage und dadurch, dass das in den österreichischen Medien so ausgeschlachtet wurde, bin ich überhaupt erst darauf aufmerksam geworden und dazu gekommen, dass das passiert. Ich habe mich da zum ersten Mal in meinem Leben so richtig dahinter geklemmt, weil ich mir irgendwie gedacht habe, das möchte ich gerne machen.

Hairapetian:
Ich weiß, dass Du im Vorfeld gar nicht so ein Falco-Fan gewesen bist. Jetzt, wo Du den Film abgedreht hast, er ist ja in Österreich bereits am 07. Februar angelaufen, was bleibt da für Dich im Nachhinein? Wie nah bist Du der Person Falco gekommen?

Manuel Rubey:
Ich glaube, dass mir das sehr geholfen hat, dass ich kein Fan war, weil so die Riesenehrfurcht weg gefallen ist. Ich bin aber zwar durch die Beschäftigung damit nicht zu einem Fan geworden, aber ich habe inzwischen großen Respekt. Ich sage immer, ich bin ein bisschen ein Anwalt dieser Figur geworden, ohne diesen ganzen Chauvinismus gut zu heißen, aber ich verstehe ihn ein bisschen, glaube ich. Dieser Mut... . Auch, wenn das nur meine Wahrheit ist. Das alles kennen gelernt zu haben, hat mir gezeigt, dass da etwas dahinter steckt und dass das nicht umsonst so groß ist. Diese Kunstfigur in einer Zeit, als alle anders waren, aber gleich anders - sich da hinzustellen und über die Grenzen hinaus zu schauen, hat in mir einen großen Respekt hervorgerufen.

Hairapetian:
Du bist jetzt 29 und hast mit Mondscheiner eine eigene Band. Ist Falco und seine Musik damals so komplett an Dir vorbei gegangen? Du wusstest vorher aber schon, wer Falco war, oder?

Manuel Rubey:
Ja, ich glaube, das wusste ich schon in meiner Kindheit, weil ich sehr musikalisch von meinen Eltern geprägt wurde und Musik einfach einen großen Stellenwert hatte. Und mein Vater, als David-Bowie-Fan, hat Falco total abgelehnt, weil der immer gesagt hat: "Das ist eine Kopie". Das habe ich als kleines Kind unbewusst ein bisschen übernommen. Diese ganzen achtziger Jahre waren sowieso nicht meine Zeit. Ich habe das sehr oberflächlich wahrgenommen.

Hairapetian:
Und dieser Chauvinismus, den Du eben angesprochen hast, ist der nicht auch eine Art von Schutzmechanismus, den man sich zulegt, als Künstler und Musiker, wie Du es bist? Ist das mehr eine Strategie von Falco oder war er vielmehr eine vielschichtige, zwiegespaltene Persönlichkeit, in der das Eine mit dem Anderen einher ging?

Manuel Rubey:
Wie er drauf war, als er begonnen hat, vermag ich nicht zu beurteilen und maße ich mir auch nicht an. Was ich aber glaube, herausgefunden zu haben, ist, dass sich das derartig vermischt hat, er hat auch irgendwann einmal gesagt, er will jetzt gar nicht mehr beantworten, wie viel Prozent Hans Hölzel und wie viel Prozent Falco sind. Ob das jetzt von der Figur oder vom Privatmenschen kommt, ist nicht nachzuvollziehen. Ich fürchte aber, dass er schon ein sehr problematisches Frauenbild hatte. Auch als Privatmensch.

Hairapetian:
Und woher kam das?

Manuel Rubey:
Keine Ahnung... Das ist wieder das Spannende, was wir mit unserer Musik wollen, wir versuchen diese Männlichkeitsrockklischees ständig zu unterwandern. Das hat sich verändert, dass das überhaupt möglich ist. Ich habe so das Gefühl, dass das damals dazu gehört hat, ein bisschen die dicken Eier ständig raushängen lassen zu müssen. Ich möchte jetzt nicht ins Psychologisieren geraten, aber diese Mutterbeziehung ist halt schon sehr prägend. Dass das da irgendwo herkam, kann ich mir schon vorstellen.

Hairapetian:
Meine Mutter hat Falco einmal kennen gelernt. Er war wohl sehr charmant. Ich persönlich hätte ihn auch gerne einmal getroffen, zumal ich von seiner Begeisterung für Oskar Werner weiß, die im Film auch aufgegriffen wird. Falco hat also auch gewisse Vorbilder gebraucht, wie David Bowie und eben Oskar Werner, vielleicht. Wie sieht das denn mit Dir aus? Hast Du irgendwelche Vorbilder als Leitfaden?

Manuel Rubey:
Ich habe von einem alten Schauspieler am Theater einmal etwas mitbekommen und mir bis heute gemerkt: "Stehle, soviel Du kriegen kannst, bei den Leuten, die Du gut findest, und verkauf' es. Denn es ist eh anders, wenn Du es machst." Ich hab dieses Idoltum so nie gehabt, aber ich habe in der Musik Bob Dylan, mit dem und dessen Texten ich mich über meinem Vater seit meiner Kindheit sehr beschäftigt habe. Und vom Schauspielerischen her, Sean Penn, auch, wenn das alles sehr hoch gegriffen klingt, weil er diese politische Funktion mit der Kunst verbindet. Viele Schauspieler sagen "Ja, meine Meinung zählt nicht. Ich bin nur ein Instrument". Das stimmt auch bis zu einem gewissen Grad. Furchtbar, wenn man zu jedem Thema etwas sagt, aber auch ein bisschen ein Anliegen zu transportieren und nebenbei ein großartiger Schauspieler zu sein, liegt mir nah'.

Hairapetian:
Also Dylan statt Falco. Stimmt es, dass "Out of the Dark" Dein Lieblingssong von Falco ist?

Manuel Rubey:
Ja, das wechselt eigentlich. Also im Moment habe ich sie alle ein bisschen satt. Aber ich glaube im Refrain bei "Out of the Dark" geht die Sonne auf. Und "Coming Home (Jeanny Part Two)". Diese zwei sind für mich am stärksten.

Hairapetian:
Was ich im Film hervorragend fand, war der Song "America", obwohl der gar nicht so zu meinen Favoriten zählt. Du hast ja auch mit den Falco-Produzenten Rob und Ferdi Bolland zusammengearbeitet und einen Soundtrack zum Film aufgenommen. Waren die Aufnahmen der Songs dadurch nicht schwierig? Ich meine, man will ja nicht imitieren oder kopieren, dennoch sollte es nach den Achtzigern klingen.

Manuel Rubey:
Ich war schon sehr ehrfürchtig, wie ich dahin bin. Die haben achtzig Millionen Platten verkauft mit ihren Sachen. Es hat sich aber schon nach Minuten entpuppt, dass das Freaks sind, musikbesessene Menschen und wahnsinnig nette zudem. Es war wirklich toll. Ein tolles Arbeiten und wirklich offen für alles. Wir haben jeden Song anders aufgenommen und von mir Ideen genommen. Also das lief super. Auch eine große Erfahrung für mich. Womit ich Schwierigkeiten habe bis heute, das sage ich Dir jetzt ganz ehrlich, wenn ich offen sprechen darf, ich verstehe die Sinnhaftigkeit des Soundtracks ehrlich gesagt nicht. Ich hätte gerne einen Soundtrack gemacht, zum Beispiel mit der Band, wenn es um Interpretationen geht. Für den Film, denn Film funktioniert anders, da ist es okay. Aber der Soundtrack imitiert Falco wirklich. Das war die Zielsetzung: so nah wie möglich heran. Die Playbacks sind zwar neu aufgenommen, aber eben auch die achtziger Jahre. Und jetzt frage ich mich, wen soll das interessieren und wer soll das kaufen? Das kann ans Original niemals rankommen. Das warfür mich zwar eine schöne Erfahrung, ich habe es auch gerne gemacht, aber das finde ich leider zu konventionell.

Hairapetian:
Der Soundtrack ist auch schon in Österreich erschienen. Wie gefragt ist er dort, weißt Du das?

Manuel Rubey:
Das verkauft sich ganz gut. Ich habe aber das Gefühl, dass alles, was mit Falco herauskommt, irgendwie gekauft wird. Es kommt jedes Jahr eine neue DVD, Best Of,... . Und es ist immer in den Charts.

Hairapetian:
Wie ist denn die Resonanz auf Deine Rolle? Hier in Deutschland gibt es auch viele Falco-Anhänger, aber dadurch, dass der Film schon viel früher in Österreich gestartet ist, wird der Run dort inzwischen wesentlich größer sein. Wie treten die Leute an Dich heran? Sind das Leute, die Falco-Fans sind und Dich damit auch identifizieren? Oder sehen die das eher locker? Gibt es vielleicht sogar irgendwelche Hasstiraden?

Manuel Rubey:
Nein, erstaunlicherweise nicht. Es war so im Vorfeld, als es heraus kam. Es war ganz furchtbar und ich habe es kurzfristig bereut, weil irgendwelche Briefe kamen mit "Das darfst Du nicht!" und "Das darf niemand!" oder "Wer bist Du überhaupt!". Und die sind verstummt. Es kommt jetzt eigentlich nur noch Positives. Aber, was spannend ist, dass sehr viele junge Menschen vielleicht auch wegen Mondscheiner ins Kino gehen. Fünfzehnjährige verbinden mich jetzt mit Falco. Das ist mehr ein Gräuel eigentlich, aber bei denen akzeptiere ich es, weil die ihn de facto nicht mehr kannten.

Hairapetian:
Hast Du denn Angst, durch diese Rolle jetzt festgelegt zu sein?

Manuel Rubey:
Nein, ehrlich gesagt nicht. Es war mir von Anfang das größte Ziel, genau dagegen zu steuern. Ich habe bei jedem Interview gesagt, Falco ist mit dem letzten Drehtag vorbei. Ich mach jetzt auch nichts mehr. Ich könnte mir jetzt eigentlich ein ganz gutes Zubrot verdienen mit irgendwelchen Falco-Auftritten, aber es gibt auch in der Band keine Falco-Interpretationen. Es wird da eine ganz strikte Grenze gezogen. Ich habe jetzt ziemlich schnell schon wieder einem populären Kinoprojekt zugesagt. Man kennt es hier in Deutschland nicht. "Ein echter Wiener geht nicht unter", eine Kultserie der siebziger Jahre über eine Wiener Proletarierfamilie dreißig Jahre später. Ich spiele den Sohn der Familie, der damals noch ein Baby war. Das ist zwar jetzt wieder etwas Nostalgisches, aber erstens habe ich diese Serie geliebt als Kind und zweitens wird es wieder eine ähnliche Aufmerksamkeit kriegen. Das ist dann eine ganz andere Rolle. Man muss klar dagegen auftreten. Ein gewisser Stempel wird schon bleiben, aber ich mache mir nicht so große Sorgen darüber.

Hairapetian:
Der Spagat zwischen Musik und Schauspielerei geht weiter?

Manuel Rubey:
Der geht weiter. Der gehört zu meinem Leben dazu, seitdem ich eigentlich denken kann. Das ist bis jetzt so gegangen und ich denke, das wird auch noch weiter so gehen.



Das Gespräch führte Marc Hairapetian am 05. Mai 2008 im Kempinski Berlin. Foto Falco Rubey und Clockwork Hairapetian von Sabrina Safari.