Größere Ansicht anzeigen Marc Hairapetian & Matto Barfuss mit der Debbie-Harry-Interview-Edition von SPIRIT - EIN LÄCHELN IM STURM (Foto: Heiko Lehmann für SPIRIT - EIN LÄCHELN IM STURM)

Die Katze führt Regie

Interview mit Matto Barfuss

Von Marc Hairapetian

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Matto Barfuss (bürgerlich Matthias Huber, geboren am 5. Juni 1970 in Sinsheim) hat mit "Maleika" einen dokumentarischen Spielfilm gedreht, der das Publikum für die große Mutterliebe seiner gepardischen Titelheldin sensibilisieren will. Ein Gespräch über die Freundschaft mit Raubkatzen, tragische Ereignisse während der fast vierjährigen Dreharbeiten und Empathie bei Tieren.

 Marc Hairapetian: Wie sind Sie als Tierschützer, Maler und Filmemacher ausgerechnet zu den Geparden, die für ihre extreme Schnelligkeit bekannt sind, gekommen?

 Matto Barfuss: Die Katzen haben mich ausgewählt! Ich bin auf einem ökologischen Bauernhof in den 1970er Jahren aufgewachsen. Katzen kamen immer zu mir. Obwohl meine Eltern sie nicht mochten, lagen sie sogar bei mir im Bett. Dann kam der Traum, nach Afrika zu gehen. Früher beschäftigte ich mich eher mit Tigern und Löwen, bis ich mich 1996 in eine wilde Gepardin verliebte! Ich nannte sie Diana und kroch mit ihr und ihren fünf Babys barfuss durch die Steppe der Serengeti. Sie nahm mich in ihre Familie auf. Dadurch wurde die Faszination für diese Geparden tief verwurzelt. Die Presse hat mich dann irgendwann als "Gepardenmann" bezeichnet, wogegen ich mich gar nicht wehre.

 Marc Hairapetian: Sie haben eben sehr nonchalant gesagt, dass Sie auf allen vieren mit den Geparden durch die Steppe gekrochen wären. Man geht doch aber nicht einfach zu denen hin und ist gleich deren Freund. Wie nähert man sich den Raubtieren an?

 Matto Barfuss: Mit neun Jahren wollte ich eigentlich Verhaltensforscher wie Konrad Lorenz oder Irenäus Eibl-Eibesfeldt werden. Mit 12 gewann ich dann aber als Maler den ersten Preis von Baden-Württemberg. Ich merkte, dass ich als Künstler mehr bewegen kann. Ich möchte die Menschen emotional erreichen, um auf dieser Welt etwas zu verändern. Die Verhaltensforschung behielt ich immer im Hinterkopf. Die Kombination aus Fachwissen und Geduld sind ganz wichtige Faktoren, um sich Geparden in der Wildnis zu nähern. Man kann nicht einfach sagen: "Hey, ich will jetzt mit der Katze zusammenleben!" Dann sagt die Katze: " Gut, ich habe aber jetzt Hunger..." Man muss eine gute Beobachtungsgabe haben und akzeptieren, dass die Katze Regie führt.

 Marc Hairapetian: Wie funktionierte es konkret?

 Matto Barfuss: Mit Diana klappte es, weil ich es über drei Wochen immer wieder versuchte, in Kontakt zu treten, der dann über die Jungen stattfand, die auf mich zukamen. Die Mutter beäugte das alles. Ich dachte, wenn die Mutter meint, dass ich eine Bedrohung für die Kinder sein könnte, dann würde sie angreifen. Deswegen verhielt ich mich auch gepardisch und kroch durch die Steppe. Das fand Diana ok. Nach einer Woche begann sie, mich zu untersuchen und ging noch am selben Tag jagen, während sie die Jungen bei mir ließ!

 Marc Hairapetian: Bei "Maleika" haben Sie aus dramaturgischen Gründen absichtlich mehr Distanz bewahrt als zu Diana. So mussten Sie aus der Ferne durch die Kamera mitansehen wie Maleikas Sohn Marlo im Fluss ertrinkt. War es für Sie nicht ein unerträgliches Gefühl, da nicht eingreifen zu können?

 Matto Barfuss: Die Natur erzählt ihre eigene Geschichte. Zuerst sah ich den gut dreiminütigen Vorfall beim Filmen gar nicht richtig. Dann rief ich Marlo aus weiter Ferne immer wieder nur verzweifelt "Fight!" zu, bis er leider nicht mehr hochkam. Was am schlimmsten war: Maleika guckte mich vom anderen Ufer so an, als wenn sie meine Hilfe suchen würde. Um zu ihr zu gelangen, mussten wir den Fluss über 45 Kilometer umfahren. Meine Cutterin war an dem Tag das erste Mal da. Wir lagen uns nach dem Unglück weinend in den Armen.

 Marc Hairapetian: Man sieht im Film, wie Maleikas restliche Kinder zu ihr kommen, um sie zu trösten. Glauben Sie, dass auch Geparden trauern können?

 Matto Barfuss: Ja, über vier Tage lang kehrte sie immer wieder zum Fluss zurück und weinte dort mit ihren Kindern. Wir sollten über Empathie bei Tieren völlig neu diskutieren. Die Wissenschaftler verhauen mich schon jetzt für diese These, aber das ist mir egal.

 Marc Hairapetian: Eine gefühls- wie verstandesmäßig nachvollziehbare These, die Sie ja filmisch eindrucksvoll untermauern. Hat "Maleika" noch eine andere Botschaft?

 Matto Barfuss: Ich habe mich bewusst für einen Filmstil entschieden, der mit seiner emotionalen Nähe durch den Kommentar von Max Moor an Disney erinnert. Ich möchte nicht einen Film machen, wo ich den Leuten Geparden erkläre, sondern wo sie verstehen, was eine Gepardenmutter in der Natur alles erleiden und ertragen muss. "Maleika" ist ein Film über eine unglaubliche Mutterliebe, der eine klare Botschaft hat: Was immer auf dieser Welt auch passieren mag - es gibt keinen vernünftigen Grund aufzugeben!

Das Interview mit Matto Barfuss führte Marc Hairapetian am 17. Juli 2017 im Hotel Scandic Berlin für SPIRIT - EIN LÄCHELN IM STURM www.spirit-ein-laecheln-im-sturm.de / www.spirit-fanzine.de / www.spirit-fanzine.com

Original Trailer "Maleika":