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Karriere ist nicht alles!

Interview mit Schauspielerin Sveva Alviti

Von Marc Hairapetian

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Größere Ansicht anzeigenThe real Dalida (Archive Hairapetian)

Das ehemalige Model Sveva Alviti, geboren ausgerechnet am französischen Nationalfeiertag, dem14. Juli 1984, allerdings in Rom, ist einer der weiblichen Kino-Shooting-Stars des Jahres: Als "Dalida" ließ sie, man muss es so pathetisch schreiben, die Chanson-Legende (17. Januar 1933 in Kairo - 3. Mai 1987 in Paris) auf der großen Leinwand von den Toten auferstehen und nochmals sterben. Eine grandiose schausteirische Leistung! Und somit sieht ihre künstlerische Zukunft äußerst vielversprechend aus: Führt ihr Weg gar vom "Cam Girl" über "Dalida" nach Hollywood? Wir werden sehen. Ein Gespräch mit der attraktiven Aktrice, die wie einst Dalida nun in Paris wohnt, das Interview aber im Münchener Fünf-Sterne-Luxushotel Bayerische Hof gewährte und dabei sogar den Spieß umdrehte und Marc Hairapetian ebenfalls befragte.

 Marc Hairapetian: Sveva, bevor ich dich befrage, möchte ich dir mein aufrichtiges Kompliment aussprechen: Neben Oskar Werners Darstellung von Wolfgang Amadeus Mozart in "Reich mir die Hand, mein Leben" aus dem Jahr 1955, ist für mich deine Interpretation der legendären französischen Sängerin italienischer Herkunft die beste Darstellung einer historischen Musikerpersönlichkeit in der Geschichte des internationalen Films: In vielen Szenen siehst du nicht nur aus wie sie, du bewegst dich auch so!

 Sveva Alviti: Danke von Herzen! Mir das zu sagen, macht mich sehr glücklich. Es war mir wichtig, vor allem auch für die immer noch zahlreichen Fans von Dalida, sie nicht einfach zu imitieren, sondern ihre innere Wahrheit aufzuzeigen.

 Marc Hairapetian: Du bist im Film bei vielen ihrer Konzerte und Bühnenshows zu sehen. Aber auch zu hören?

 Sveva Alviti: Während der Filmaufnahmen: ja, ich hatte sogar einen Gesangscoach am Set und entdeckte für mich, dass ich wirklich recht ordentlich singen kann. An Dalida reiche ich aber natürlich nicht heran. So wurde dann doch noch ihre Stimme bei den Szenen verwendet, wenn ich auf der Konzertbühne performte.

 Marc Hairapetian: Kann man sagen, dass du Dalida jetzt näher bist als zuvor?

 Sveva Alviti: Auf jeden Fall. Mir waren schon vorher einige Lieder von ihr geläufig wie "Bambino", mit dem sie berühmt wurde. Aber ich kannte nicht ihr an Höhepunkten, aber auch Tragödien reiches Leben.

 Marc Hairapetian: Dalida war musikalisch äußerst vielseitig. Ihr Repertoire reichte von langsamen Balladen über Rock 'n' Roll und Twist bis zu Disco-Nummern. Hast du einen Lieblingssong von ihr und wenn ja warum?

 Sveva Alviti: Sie hatte wirklich eine enorme künstlerische Bandbreite. Mein absoluter Lieblingssong von ihr ist "Je suis malade" ("Ich bin krank"). Die Emotionen, die sie bei der Schallplattenaufnahme, aber auch den Live-Interpretationen zeigte, sind nicht zu überbieten. Sie hat sich da sehr geöffnet und dem Publikum Einblick in ihr Seelenleben gegeben, nachdem sich drei ihrer ehemaligen Liebhaber das Leben genommen hatten. Das Stück ist für mich kein Chanson, sondern eher ein Gedicht, dass sie mit ihrer Gesangstimme gestaltet, ja, lebt! Hast du eigentlich Lieblingslieder von ihr?

 Marc Hairapetian: Selbstverständlich. Da ist vor allem ihre Interpretation von "A Banda". Sie interpretiert Chico Buarques berühmtes brasilianisches Lied, das einen traurigen-sozialkritischen Text, aber eine fröhliche Melodie hat, mit ironischer Ausgelassenheit. In Deutschland wurde das Stück auch unter dem Titel "A Banda (Zwei Apfelsinen im Haar") mit veränderterem Text ein großer Schlager-Erfolg der süßen Französin France Gall. Dann finde ich auch noch Dalidas Vokalversion von Ennio Morricones an sich instrumentalem Soundtrack zu Henri Verneuils Krimi-Klassiker "Der Clan der Sizilianer" fantastisch: Sie singt das Stück sehr langsam und traurig, aber auch ungeheuer kraftvoll. Und ich liebe aus der Disco-Phase "Rio do Brasil". Willst du mich jetzt interviewen?

 Sveva Alviti (lacht): Nein, das überlasse ich schon dir. Aber wow, du hast eine sehr spezielle Auswahl!

 Marc Hairapetian: Wie hast du dich darauf vorbereitet, Dalida im Film zu verkörpern?

 Sveva Alviti: Ich habe viele Dokumentationen über sie gesehen und mit ihrem Bruder Bruno Gigliotti, bekannt unter dem Künstlernamen Orlando, gesprochen. Er war von 1970 ihr Produzent und Manager, und stellte sich deswegen gerne als künstlerischer Berater bei unserem Film zur Verfügung. Er öffnete auch sein Archiv für mich und ließ mich sogar ihre an sich rein privaten Tagebücher lesen. Außerdem hörte ich natürlich nonstop Songs von ihr. Wie schon gesagt, war mir aber der amerikanische Ansatz nahe, eine historische Figur nicht zu imitieren, sondern ihre Wahrheit zu finden. Meine Regisseurin Lisa Azuelos half mir dabei ungemein. Sie sagte zu mir: "Vergiss alles, was du über sie gelesen hast! Sei bei der Arbeit einfach da und spiel sie so, wie du sie fühlst." Und es funktionierte tatsächlich!

 Marc Hairapetian: Warum hat Dalida deiner Ansicht nach 1987 Selbstmord verübt? Ihr Abschiedsbrief hinterließ nur zwei Sätze: "Ich bin des Lebens müde. Vergebt mir!"

 Sveva Alviti: An sich war sie allen Schicksalsschlägen zum Trotz eine sehr toughe Frau, aber ich denke, sie konnte es jenseits des künstlerisch-kommerziellen Ruhmes nicht verkraften, dass sie nie wirklich eine eigene Familie gegründet und Kinder hatte. Daran war sie ja durch die Auswahl ihrer Männer, die teilweise vorher schon verheiratet waren und von denen man manche auch als Luftikusse bezeichnen konnte, selbst schuld. Es gab einen Studenten, der sie leidenschaftlich verehrte, aber für mehr als eine Affäre war er ihr zu jung. Dennoch bedauerte sie die Trennung von ihm und die Abtreibung des gemeinsamen Kindes im Nachhinein sehr und widmete ihm den Song: "Il venait d'avoir 18" ("Er war gerade 18 Jahr´"). Bekanntlich tickt die biologische Uhr für uns Frauen. Kinderlos zu sein, war meiner Ansicht nach der wahre Grund für ihren Suizid.

 Marc Hairapetian: Wird Dalida ab jetzt immer ein Teil von dir sein?

 Sveva Alviti: Richtig, Dalida wird immer ein Teil meines Lebens sein. Mit diesem Film machte ich selbst meine künstlerischen Träume wahr. Es war die anspruchsvollste Rolle, die ich bisher spielen durfte. Durch die Auseinandersetzung mit ihr lernte ich viel über Frauen im allgemeinen, also auch über mich - und dass Karriere nicht alles ist!

 Marc Hairapetian: Deinen internationalen Durchbruch als Schauspielerin hattest du bereits als laszives "Cam Girl". Welcher Film ist dir näher: dieser oder "Dalida"?

 Sveva Alviti: Sicher "Dalida". "Cam Girl" hatte eine interessante, sehr heutige Thematik, wo Männer bereit sind, für virtuelle Sex-Spiele im Internet Geld auszugeben und Frauen, um dieses zu verdienen, das auf entwürdigende Weise mitmachen. Dennoch ist "Cam Girl" aus diversen Gründen gerade nicht der beste Film.

 Marc Hairapetian: Hast du ein schauspielerisches Vorbild?

 Sveva Alviti: Generell liebe ich die Filme aus den 1960ern Jahren, was ihre oftmals provokanten Inhalte, aber den eleganten Look betrifft. Ich verehre Monica Vitti, vor allem in "Die rote Wüste" von Michelangelo Antonioni. Die für mich beste italienische Schauspielerin aller Zeiten ist aber die unvergessene Anna Magnani. Ihr Porträt einer Prostituierten, die ihrem Sohn zuliebe versucht, eine bürgerliche Existenz aufzubauen, in Pier Paolo Pasolinis "Mamma Roma" ist bis heute erschütternd.

 Marc Hairapetian: Anthony Perkins sagte mir einmal, er wäre Schauspieler aus therapeutischen Gründen geworden, um mit dem Leben fertig zu werden. Warum bist du Schauspielerin geworden?

 Sveva Alviti: Wenn ich keine Schauspielerin geworden wäre, wäre ich allen Ernstes Psychologin geworden. Also kann ich Anthony Perkins gut verstehen. Als Schauspielerin kannst du Teile von dir selbst sehr tief ausloten, die dir zuvor eventuell verborgen waren.

 Marc Hairapetian: Du hast zuvor auch als Modell gearbeitet. Jetzt aber nicht mehr?

 Sveva Alviti: Nein, das ist mir eine zu oberflächliche Welt.

 Marc Hairapetian: Kannst du dir vorstellen, auch für die sogenannte "Traumfabrik" in Hollywood zu drehen?

 Sveva Alviti: Du wirst lachen: Als ich in diesem Jahr nach Los Angeles ging, um dort "Dalida" zu präsentieren, kam das Angebot, mit Kristin Stewart für "JT Leroy" zu drehen. Ich sollte in dem Film Englisch mit italienischem Akzent sprechen, doch dann haben sie aus kommerziellen Gründen die deutsche Diane Kruger genommen, die schon ein großer internationaler Star ist.

 Marc Hairapetian: Für Laurence Olivier war Schauspielerei die Vermittlung von Illusionen ans Publikum. Oskar Werner wollte den Zuschauern den Traum schenken. Was gefällt dir besser und was möchtest du als Schauspielerin erreichen?

 Sveva Alviti: Den Traum schenken ist sehr schön. Ich möchte, dass die Leute Fragen stellen, wenn sie aus dem Kino kommen. Im Falle von "Dalida" über sie, aber auch mich. Bestenfalls so wie du es jetzt getan hast. (lacht)

Das Interview mit Sveva Alviti führte Marc Hairapetian am 28. Juni 2017 für SPIRIT - EIN LÄCHELN IM STURM www.spirit-ein-laecheln-im-sturm.de / www.spirit-fanzine.de / www.spirit-fanzine.com

Dalida - Bande-annonce officielle HD: